Stammzellforschung

Stammzellen zeichnen sich ihre Fähigkeiten aus, sich selbst zu vermehren und sich im Wege der Teilung entweder wiederum zu Stammzellen oder zu spezifischen Zelltypen (Nervenzellen, Blutzellen, Hautzellen etc.) zu entwickeln. Es gibt sie u. a. in den frühen Stadien der embryonalen Entwicklung. Die Stammzellen selbst werden häufig mit Hilfe der Unterscheidung von Totipotenz und Pluripotenz beschrieben. Totipotente Zellen sind solche, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermögen (so § 8 I Embryonenschutzgesetz). Pluripotente Zellen können sich nicht mehr zu einem vollständigen Organismus, jedoch in verschiedene Zell-, Gewebe- und Organtypen entwickeln. Multipotenz bezeichnet die Fähigkeit zur Entwicklung in verschiedene, aber nicht mehr in sämtliche Zelltypen. Zumindest die letztgenannte Unterscheidung wird auf der Basis neuerer Forschungen zur Reprogrammierbarkeit relativiert.

Die Forschung hat an humanen embryonalen Stammzellen großes Interesse, weil man mit ihrer Hilfe z.B. die Zellentwicklungsprozesse analysieren und möglicherweise künftig passende Zellen oder Gewebe im Labor entwickeln sowie als Ersatz transplantieren kann. Sofern Stammzellen aus Blastozysten (frühes Embryonalstadium) gewonnen werden, wird der Embryo allerdings zerstört. Deshalb werden die Verfahren der Gewinnung und auch der Import von humanen embryonalen Stammzellen kontrovers erörtert. Man sucht zum einen nach alternativen Möglichkeiten, die erwünschten Forschungsergebnisse zu erreichen, z.B. durch Forschung an Stammzellen aus Nabelschnurblut oder an gewebespezifischen Stammzellen. Zum anderen werden Verfahren zur Erzeugung embryonaler Stammzellen erforscht, aus denen sich, etwa wegen genetischer Manipulationen, kein vollständiger Organismus entwickeln kann.

Die Rechtslage innerhalb Europas ist heterogen. In Deutschland verbietet das Embryonenschutzgesetz die Erzeugung von Embryonen in vitro zu Forschungszwecken, die Forschung an ihnen oder an einzelnen totipotenten Zellen und auch die Verwendung von Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen. Einfuhr und Verwendung von embryonalen Stammzellen aus dem Ausland sind nach dem Stammzellgesetz unter den engen Voraussetzungen eines Verbots mit Genehmigungsvorbehalts erlaubt. Über viele Aspekte, z. B. über die näheren Genehmigungsvoraussetzungen oder über die Stichtagsregelung, wird immer diskutiert.

Marion Albers, 22.07.2014 / Marion.Albers@uni-hamburg.de

Beiträge von Mitgliedern des Hamburg Center for Bio-Governance zu diesem Thema finden Sie hier:

More at stake in stem cell patents, letter to the journal “nature” on the pending decision of the European Court of Justice on patent eligibility of human embryonic stem cells, Ingrid Schneider, David Jones et. al., in: nature, vol. 474, 30 June 2011, pp. 579.

Forschungsobjekt Embryo. Verfassungsrechtliche und ethische Grundlagen der Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen, Reinhard Merkel, 2002.

Embryonale Stammzellforschung – von der Sozialpflichtigkeit der Reproduktion, Ingrid Schneider, in: Kolb, Stephan et al. / IPPNW (Hg.) 2002: Medizin und Gewissen. Wenn Würde ein Wert wäre. Menschenrechte, Gesundheitspolitik. Technikfolgen. Tagungsband Internationaler IPPNW-Kongress Erlangen, Frankfurt/M.: Mabuse, S. 368-387.

Stammzellenforschung und ihre kulturellen Folgen, Ingrid Schneider, in: Stammzellenforschung, Hg. Universität Luzern. Reihe Science & Society, 2002, Bd.1, Zürich: seismo, S. 166-169.

Gesellschaftspolitische Regulierung von Fortpflanzungstechnologien und Embryonenforschung, Ingrid Schneider, in: Bergermann, Ulrike/Breger, Claudia/ Nusser, Tanja (Hg.) 2002: Techniken der Reproduktion. Medien – Leben – Diskurse. Königstein/Taunus: Ulrike Helmer Verlag, S. 103-120.

Überzählig sein und überzählig machen von Embryonen: die Stammzellforschung als Transformation einer Kinderwunscherfüllungs-Technologie, Ingrid Schneider, in: Brähler, Elmar/Stöbel-Richter, Yve/Hauffe, Ulrike (Hg.) 2002: Vom Stammbaum zur Stammzelle – Reproduktionsmedizin, Pränataldiagnostik und menschlicher Rohstoff, Gießen: Psychosozial-Verlag, S. 111-158.

Wo beginnt die Menschenwürde? Therapeutisches Klonen von Embryonen. Kontroverse, Ingrid Schneider, in: Universitas, 56.Jg., Nr. 658, April 2001, S. 401-404.

Embryonale Stammzellforschung – eine ethische und gesellschaftspolitische Kritik, Ingrid Schneider, in: Graumann, Sigrid (Hrsg.) 2001: Die Genkontroverse. Grundpositionen. Freiburg: Herder Spektrum, S. 128-147.

Präimplantationsdiagnostik und Stammzellforschung. Naturwissenschaftlich-medizinischer Sachstand, ethische Implikationen und gesellschaftliche Folgewirkungen, Ingrid Schneider, in: Speyrer Texte, Evangelische Akademie der Pfalz, Nr. 6, Jan. 2001, S. 4-33.

Embryonale Stammzellforschung, Ingrid Schneider, in: Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.): Fortpflanzungsmedizin in Deutschland. Band 132, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit, Baden-Baden 2001, Nomos, S. 248-254.

Ethische und gesellschaftspolitische Aspekte von Embryonen- und Stammzellforschung, therapeutischem Klonen, Ingrid Schneider, in: Reproduktionsmedizin und Gentechnik. Frauen zwischen Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Normierung. Dokumentation der Fachtagung 15.-17.11.2001 in Berlin. BZgA, 2002, Köln, S. 70-79.

Von „anderen Umständen“ zur Embryonenforschung: veränderte Blicke auf Schwangerschaft und Geburt, Ingrid Schneider, in: epd-Dokumentation, (Evang. Pressedienst), Nr. 15, 9.4. 2001, S. 25-46 und in: Institut für Kirche und Gesellschaft (Hrsg.): Ware Mensch. Der menschliche Embryo als Objekt der Begierde. Iserlohn 2001, S. 3-37.

Verschwiegene Interessen. Die DFG-Position zur Stammzellforschung und der Streit um den Import embryonaler Zellen, Ingrid Schneider, Regine Kollek, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 152, 5.7.2001, S. 19 und in: Forum Wissenschaft, 18.Jg., Nr. 4, Okt. 2001, S. 28-31 und in: Schwank, Alex (Hg.) 2003: Stammzellen-Monopoly. Edition 8, Reihe „Soziale Medizin“, Freiburg (Schweiz), S. 92-104.

Gestern war heute noch morgen. Verheißungen von Reprogenetik und Embryonenforschung, in: Forum Sexualaufklärung und Familienplanung, Ingrid Schneider, Informationsdienst der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Heft 1/2, 2000, S. 28-35.

Yesterday, Today was still Tomorrow. The Promises of Reprogenetics and Embryonic Research, Ingrid Schneider, in: BZgA Forum 1/2, 2000, S. 27-34.

Präimplantationsdiagnostik, Embryonenforschung und Keimbahntherapie. Thesen und Argumente, Ingrid Schneider, in: Gen-ethisches Netzwerk/ Pichlhofer, Gabriele (Hrsg.): Grenzverschiebungen. Politische und ethische Aspekte der Fortpflanzungsmedizin. Frankfurt am Main: Mabuse 1999, S. 49-62.

Zwischen "Würde" und "Interesse": Sind Föten menschliche Wesen oder biologisches Material?, in: Interessen und Menschenwürde. Ein Normenkonflikt zwischen Utilitarismus und Ethik der Würde im Kontext der Biomedizin und ihres Anspruches auf Forschungsfreiheit, Ingrid Schneider, Evangelische Akademie Mülheim an der Ruhr (Hrsg.), Reihe "Begegnungen" 2/1998, S. 188-203.

Embryonen als Rohstoff für Transplantationen: Anfragen an Medizin und Ethik, Ingrid Schneider, in: Diskussionen, Zeitschrift der Evangelischen Akademie Baden, Heft 35/1998, S. 28-53.

Body Politics: Women as Providers of a New Medical Resource - the use of fetal tissue in transplantation and biomedical research, Ingrid Schneider, in: Women's Global Network for Reproductive Rights Journal, Amsterdam, No. 56/1997, S. 18-21.

El uso comercial de fetos humanos, Ingrid Schneider, in: Revista Tres, (Montevideo, Uruguay), No. 65/1997, S. 29-32.

"Wir nehmen nur vorgefundenes Material" - Föten - der neue medizinische Rohstoff, Ingrid Schneider, in: "Leben - verfügbar machen?", epd-Dokumentation, Nr. 33/1997, S. 16-25.

Schwangerschaftsabbruch: Föten als Rohstoff? (Interview), Ingrid Schneider, in: TW Gynäkologie, 10.Jg., Heft 4, April 1997, S. 128-130.

Fötalgewe(r)be: Der Traum von der technisch produzierbaren Unsterblichkeit, Ingrid Schneider, in: Sprenger, Ute u.a. (Hrsg.): Unternehmen Zweite Natur, Gießen (Focus Verlag) 1996, S. 176-191.

Föten: der neue medizinische Rohstoff, Ingrid Schneider, Frankfurt/New York: Campus 1995.