Intervention ins Ich und das Recht auf mentale Selbstbestimmung
Bahnbrechende Entwicklungen der Neurowissenschaften haben eine Vielzahl von Möglichkeiten erschlossen, in vorher unzugängliche Bereiche des Gehirns und damit der mentalen Sphäre des Menschen einzudringen. Man kann sie grob unterteilen in (1.) neuartige Eingriffe, (2.) neuartige Einblicke und (3.) neuartige Einsichten ins Funktionieren des Gehirns - und also in die Grundlagen des menschlichen Ichs. Zu (1.) lassen sich therapeutische Eingriffe unterscheiden von solchen zu Zwecken des „Neuroenhancements“, nämlich der Verbesserung eigentlich gesunder mentaler Eigenschaften. Beide Formen der Intervention werfen schwierige Fragen ihrer ethischen wie rechtlichen Legitimation auf. Denn sie können zu substantiellen Veränderungen der Persönlichkeit und des Charakters ihrer Adressaten führen und damit zur nachhaltigen Veränderung deren Verhaltens. (2.) zielt auf die neuen Formen bildgebender Verfahren zur Erforschung insbesondere funktionaler Eigenschaften des Gehirns bei wechselnden Aktivitäten seines Inhabers. Sie entwickeln sich in staunenswerter Geschwindigkeit zu Quellen hinreichend verlässlicher Auskünfte über bestimmte mentale Zustände, Vorgänge und Eigenschaften. Damit rücken sie in die Aufmerksamkeit des Rechts. In absehbarer Zeit mögen sie an der Schwelle ihrer Zulassung in strafrechtlichen Verfahren stehen – zu Fragen sowohl der Schuldfähigkeit als auch der künftigen Gefährlichkeit von Straftätern. Schließlich führt mich (3.) zu klassischen Fragen der Philosophie nach dem Verhältnis von Geist und Gehirn. Das betrifft vor allem das Problem der Willensfreiheit als einer Grundlage des Schuldvorwurfs. Helfen uns die modernen Neurowissenschaften mit neuen Einsichten auf dem nach wie vor dunklen Weg zu einer Lösung?Alle diese Fragen sind ungeklärt. Zu ihren Lösungen möchte ich im Rahmen meines Projekts ein wenig beitragen.